Ich habe nicht mitbekommen, wann er aufgetaucht ist. Doch dann sehe ich ihn. Es ist Montag. Es ist noch dunkel, der Tag noch nicht erwacht.

Herrenhuther Stern in St. Jakobi, SchönebeckIch stehe unter der Dusche, blicke aus unserem Dachfenster und sehe ihn, den Jakobi-Stern. Zwischen den beiden Kirchtürmen der St. Jakobi Kirche in Schönebeck, hängt, wie alle Jahre, ein großer Herrnhuter Stern. Die letzten Jahre haben wir uns in jeder Weihnachtszeit an ihm gefreut. Dieses Mal wird er uns ein letztes Mal durch die Weihnachtszeit begleiten. Wir packen unsere Koffer. Nächstes Jahr Weihnachten wird er morgens beim Duschen mich nicht beim Start in den Tag begleiten. Abends, wenn wir schlafen gehen, sehen wir ihn vom Wohnzimmer aus. Auch am Tage vom Küchenfenster bietet unsere Dachwohnung einen Blick auf den Stern. Eine letzte Weihnachtszeit mit Blick auf die Turmspitzen von St. Jakobi, die uns in den Jahren so vertraut geworden sind. Wir lieben den Klang der Jakobi-Glocken, denken an den Kollegen in der Nachbarschaft, und sind die Kirchtürme uns ein Stück Heimat geworden in den gut sechs Jahren hier in Schönebeck. Nun wechseln wir den Ort, die Stadt, nehmen eine andere Perspektive in den Blick. Welcher Stern wird uns im nächsten Jahr grüßen? Am Morgen, am Mittag, am Abend? Welche Glockenklänge uns begleiten?

Eine neue Sicht, daran erinnert mich der Jakobi-Stern. Das Vertraute loslassen. Bewusst. Wehmütig. Schöne Erinnerungen mitnehmen. Bilder einprägen. Klänge. An all das erinnert mich das Erleben mit dem Jakobi-Stern in diesen Tagen. Der Stern erinnert mich aber auch daran, dass ich eine Perspektive brauche. Orientierung im Alltag. Haltepunkte. Aussichtspunkte. Vertrautes.

Die Nachbargemeinde ist mir aus vielen Gründen ans Herz gewachsen. Schon bei unserem ersten Besuch in Schönebeck kehrten wir dort ein, weil sie offene Türen hatte. Oft haben wir da beim „Bibel-Marathon“ mitgelesen. Für uns und manchmal auch für mich allein. Das Wort Gottes hörbar machen und die Bibellese voranbringen. Fortlaufend mit anderen lesen und neugierig im Begleitbuch lesen, wer vor einem da war und mit wem man gemeinsam unterwegs ist – auch wenn wir uns nicht sehen, vielleicht nur aus der Ferne begegnen. Mal erlebten wir dort musikalische oder künstlerische Sternstunden im Alltag, mal Gebetsmomente in Stille.

Ich selbst fühlte mich dort immer wieder zu Hause und merkte welch protestantische Ader in mir schlägt – meine Herkunft kann ich da nicht verleugnen. Warum sollte ich das? Ich liebe Jesus, ich liebe aber auch das Kirchenjahr, das in Freikirchen nicht immer Platz hat. Ich liebe kirchliche Traditionen, die nicht starr und steif sein müssen, aber Orientierung und Halt geben können. Ich liebe ein regelmäßiges Vaterunser im Gottesdienst und liturgische Farben, Wechselgebete und aktive Beteiligung aller im Gottesdienst. „Call and Respons“ würde ich das auch nennen, Antwort geben, auf das was ich sehe und hören. Resonanz geben, in Beziehung stehen und Wege miteinander gehen – auch durch den Gottesdienst. All das verbinde ich mit meinen Gottesdiensterfahrungen, die mich von Kindesbeinen an prägten.

Und ich denke an das Lied „Stern über Bethlehem“ und an den Gottesdienst, in dem ich als Kind mithineingenommen wurde – mit nach vorne gehen und singen durfte von dem Stern. Ich weiß nichts mehr von der Predigt, aber erinnere mich an Dias, die von Sternen gezeigt wurden. Ein Weihnachtsgottesdienst, der uns in die Weite und ins Staunen führte, weil er uns das Universum anschaulich vor Augen führte, Klänge hören lies und in feierliche Stimmung führte. Das lässt mich noch heute vor Freude das Lied anstimmen und weckt Erinnerungen. Und das brauche ich auf dem Weg: vertraute Erinnerungen, die ich mitnehmen kann. Und manchmal muss ich dafür in die Weite sehen, auf die Suche gehen, in mich gehen, nach den Sternen Ausschau halten.

„Ein Stern strahlt in die Weite in dunkler Nacht, der hat uns große Freude, uns große Freude ins Herz gebracht…“ Albert Bartsch, 1955 (Feiern & Loben, 184)