Wäre ich mein Zwillingsbruder gewesen, hieße ich Martin. Und an "Tante Käthe" habe ich aus dem Kindergarten Erinnerungen. Aber die sind natürlich nicht gemeint, wenn Claudia mich fragt, wann wir wohl Martin und Käthe würden.
Käthe (Katharina von Bora) meint natürlich die Ex-Nonne und Ehefrau von Martin Luther. Als Ex-Diakonisse bringt Claudia ja schon gute Voraussetzungen mit, in die Rolle der Käthe zu schlüpfen. Und ich war zwar weder katholisch, noch Mönch, habe aber vor vielen Jahren in einer Jugendgruppe den Spitznamen "Priester" gehabt. Aber ... darum geht es hier nicht. Auch geht es nicht um den Alterunterschied zwischen Käthe und Martin, dem wir ja ziemlich nahe kommen (gut 15 Jahre in dem einen, 13 in dem anderen Fall). Nein, all das ist es nicht. Genau genommen ... liegt es uns überhaupt fern, uns mit diesen Größen der Reformation zu vergleichen.
Sehr wohl aber finden wir den Ausbruch der beiden aus den Begrenzungen ihrer geistlichen Herkunftsfamilien - sie Zisterzienserin, er Augustiner - spannend und anregend. Die beiden haben es geschafft, das Toxische ihrer "Gemeinden" (Kommunitäten) hinter sich zu lassen, ohne deshalb ihre Herkunft zu leugnen oder gar den Glauben zu verlieren. Mehr noch, mit ihrer Ehe und ihrer familiären Spiritualität haben sie etwas Neues geschaffen, das - so findet zumindest der Eheberater in mir - noch über die bekannten Errungenschaften aus dem Turmzimmer der Wartburg hinausgeht. Das ist beeindruckend. Das macht Mut.
Nein, wir haben nicht vor, aus unseren jeweiligen kirchlichen Rahmen auszubrechen (hatte Luther übrigens auch nicht). Doch sehen wir deutlich, wie schnell eine Gemeinschaft, eine Gemeinde, eine Kirche einengen und toxisch werden kann. Es ist in solchen Augenblicken, dass die Sehnsucht nach "Erweckung und Reformation" in uns wächst. Freilich sage ich das ein wenig augenzwinkernd, denn in meiner eigenen Kirche steht dieses Schlagwort eher für das genaue Gegenteil von dieser Sehnsucht, aber auch das tut hier nichts zur Sache.
Gerade, wenn eine Kirche zunehmend einen Personenkult zelebriert und sich zugleich immer stärker in Hierarchien zementiert, theologische und gesellschaftliche Rückwärtsgewandtheit glorifiziert, ist es Zeit, etwas anderes zu leben. Freier, freudiger, evangeliumsgemäßer. Gerade wenn eine Gemeinde Traditionen und Gewohnheiten notwendigen Neuerungen in den Weg stellt, muss auch darüber nachgedacht werden, wann es Zeit ist zu gehen. Neue Wege wagen. Und ja ... manchmal sind wir an diesem Punkt. Beide. Und ja ... dann kommt die Frage, nach Käthe und Martin.
Doch wollen wir nicht auf die Flucht, wollen unserem Frust nicht Raum geben. Gleichwohl möchten wir Glauben pro-aktiv gestalten, christliches Miteinander vorleben - Gemeinschaft auch jenseits von Klostermauern der (durchaus geschätzten) Herkunfsdenominationen ermöglichen ... um in Wort und Tat Jesus Christus zu verkündigen. Darin üben wir uns, daran messen wir uns.